Comic Kritiken

Bouncer Gesamtedition 1 + 2 – Geheimtipp! Schreiber & Leser Verlag

Bouncer gehört bereits seit einigen Jahren in das Repertoire vom deutschen Verlag Schreiber & Leser. Für Neueinsteiger bietet der Verlag nun Gesamtausgaben an. Zwei sind bereits erhältlich und beinhalten die fünf Abenteuer des einarmigen Mannes, denn alle „Bouncer“ nennen. Die Geschichte aus dem Wilden Westen ist dabei nicht nur spannend, sondern auch brutal und dreckig, mit viel Liebe zum Detail. Worum es geht, wie mir die zwei Bände gefallen haben und mehr, lest Ihr in meiner Kritik.

Im Westen nichts neues

Drei Brüder, eine Wanderhure als Mutter und ein Diamant. Wie so oft, reißt das edle Gut die Familie ins Verderben. Jeder will Ruhm und Reichtum. Was dann folgt, ist eine Familien-Fehde par excellence. Einer der Drei wird nur noch als Bouncer bekannt sein. Seine Vergangenheit hat er hinter sich gelassen – glaubt er. Eines Tages erreicht Ihn ein Junge, als er im Saloon von Barro City seinem Job nachgeht. Seth ist der Sohn seines Bruders, Blake. Nachdem der dritte Bruder im Bunde, Ralton, Seths Eltern ermordet hat, gelingt es ihm zu fliehen. Bouncer lehrt ihm das Kämpfen und begibt sich mit ihm auf einen Rachefeldzug – mit interessantem Twist!

Rache gehört auch in Gesamtausgabe 2 zur Tagesordnung. Dreckig, brutal und ohne falsche Romantik walzt der wilde Westen über die Seiten. Nachdem Bouncer in „Die Gerechtigkeit der Schlangen“ zum Henker ernannt und mal wieder von seiner Vergangenheit eingeholt wird, schließt „Die Rache des Einarmigen“ direkt daran an. Für mich auch das klare Highlight der Ausgabe. Doch dazu gleich mehr.

Zentrum des Ganzen ist die Stadt Barro City. Eine klassische Stadt, wie man sie bereits aus zahlreichen Western wie Django, El Dorado oder den erfolgreichen Red Dead Redemption Games von Rockstar kennt. Doch in Barro könnte man meinen, die Hölle hat ihre Pforten geöffnet. Ein falscher Blick, ein falsches Wort und die Colts glühen! Wenn ein Bewohner der Stadt anfänglich erzählt, dass der Sheriff im Schnitt einen Monat durchhält, weckt das bereits ein ungutes Gefühl. Ideale Voraussetzungen also, für spannende Geschichten.

Ein Blick ins Innere der Bouncer Gesamtausgaben
Bouncer sorgt für Recht und Ordnung in Barro! (Bild: Renes Nerd Cave/Schreiber & Leser)

Bouncer und der Teufel im Detail

Der französische Zeichner François Boucq gehört schon seit vielen Jahren zu den Größen der Comic-Kunst. Zusammen mit dem Multitalent Alejandro Jodorowsky (seines Zeichens Regisseur, Comicautor, Schriftsteller, Schauspieler und Musiker), entstanden die uns hier vorliegenden Geschichten. Der Grundstein dafür wurde bereits im Jahr 2001 gelegt. Dass Jodorowsky in den Siebzigern bereits Erfahrungen mit dem Western-Genre gemacht hat (1970, El Topo), war da natürlich ideal. Zusammen haben sie eine Welt erschaffen, die nicht nur glaubhaft ist, sondern auch ab der ersten Seite an zu überzeugen weiß.

Besonders gefallen hat mir die hervorragende Dynamik, mit welcher die Geschichten auf uns warten. Der Dreck und die Verbitterung von Barro City gibt regelmäßig wunderschönen Landschaften die Klinke in die Hand. Allgemein liegen hier auch einige der Highlights. Boucq zeichnet nicht einfach nach. Er reiste im Vorfeld an Orte, wo auch schon einige Klassiker entstanden sind. Dort holte er sich Eindrücke, um möglichst genaue Bilder kreieren zu können. Wenn die Revolverhelden durch die Prärie reiten sieht dass mindestens so imposant aus, wie einst Clint Eastwood in Zwei Glorreiche Halunken. Durch die wunderbaren Kulissen und die Dynamik sowohl in der Optik als auch der Geschichte, entsteht eine wunderbare Wester-Atmosphäre. Nicht zuletzt, weil die Farbgebung jederzeit passend ist und ein warmes Bild zeugt. Genau so, wie man sich den Wilden Westen eben vorstellt.

ein ausgewogenes Spiel aus Farben und Zeichnungen
Die Farbgebung bietet jederzeit eine ausgewogene Dynamik. (Bild: Renes Nerd Cave/Schreiber & Leser)

Bouncer – Wer braucht schon zwei Arme?

Wie bereits geschrieben, ist Rache eine der Säulen der uns vorliegenden Geschichten. Ihren Höhepunkt findet sie jedoch in Ausgabe 4, welche die zweite Geschichte im zweiten Band ist. „Die Rache des Einarmigen“ ist nicht nur hart und dreckig. Sie ist darüber hinaus ein Genuss. Der hier gebotene Schlagabtausch zwischen Bouncer und seinen Gegnern ist spannend und optisch ansprechend. Wenn das Geschehen bei Nacht in einem Meer aus Kugeln, spritzendem Blut und einem flammenden Inferno mündet, ist es regelrecht filmreif.

Das unser Protagonist in vereinzelten Sequenzen etwas verbittert wirken mag verwundert allerdings wenig. Sein Leben war nicht gerade von Glück gepflastert. Seine Familie bestand aus Mördern. Mit der großen Liebe tut er sich schwer und das man in einer Stadt wie Barro kein leichtes Leben hat, merkt er spätestens während seiner Tätigkeit als Henker. Im Idealfall sollte kein Tag vergehen, ohne dass jemand am Galgen hängt. Dass der Henker, damals ein rechtschaffender Beruf, nahezu den gleichen Hohn erhält wie die Gauner, ist nur eines der zahlreichen Sinnbilder für den Zeitgeist der Stadt.

Jodorowsky und Boucq spielen aber auch oft mit Stereotypen des Genres. Da wirkt es fast paradox, dass typische Elemente aus den diversen Arten des Western-Kinos miteinander verschmelzen. Müsste ich die Geschichte anhand von Filmen beschreiben, wären es wohl vor allem jene mit Franco Nero, Eastwood oder auch Terrence Hill (Djano und die Bande der Gehenkten). Pathos und Romantik wie sie ein John Wayne transportiert, sucht man hier vergeblich.

Zeichnungen von Francois Boucq
Am Ende erwarten uns wunderbare, aufklappbare Artworks von Boucq! (Bild: Renes Nerd Cave/Schreiber & Leser)

Das Fazit:

Bouncer hat mich auf ganzer Linie überrascht! Man merkt schnell, dass die Kreativen hinter den Geschichten Fans des Genres sind. Egal ob es die Gestaltung der Charaktere, der Orte als auch der kleinen aber feinen Details ist. Große Charakterentwicklungen und dergleichen sucht man hier vergeblich. In meinen Augen ist das nicht sonderlich schlimm. Die Geschichten sind allesamt kurzweilig und spannend. Wenn der Einarmige sein Wissen an seinen Neffen weitergibt oder mit teils kuriosen, teils abscheulichen Charakteren konfrontiert wird, hält dass den Spaß aufrecht. Fans von harten Spaghetti-Western wie die bereits genannten Django Ableger, können hier ohne Zweifel zuschlagen. Doch auch Genre-Einsteiger können einen Blick wagen. Als Ausgleich zum alltäglichen Superhelden-Comic, ist die Bouncer Reihe wie geschaffen.

Die Gesamtausgaben erscheinen dabei in in hochwertigen Hardcovern im Albenformat, welche je nach enthaltenen Geschichten zwischen 136 und 200 Seiten haben. Das Papier fühlt sich sehr wertig an und bietet damit die passende Grundlage, für die wunderbaren Zeichnungen. Am Ende findet sich jeweils ein Nachwort mit Infos zum Entstehungsprozess und den Kreativen Köpfen. Besonderes Augenmerk verdienen dabei vor allem die ausklappbaren Artworks – siehe Bild. Einziger Kritikpunkt ist die Tatsache, dass bei der Nummerierung unterschiedliche Schrifttypen verwendet wurden.

  • Preis: Band 1 – 29,80€/ Band 2 – 37,80€
  • Seiten: Band 1 – 136/ Band 2 – 200
  • Autor: Alejandro Jodorowsky
  • Zeichner: Francois Boucq
  • Genre: Western
  • Verlag: Schreiber & Leser

Ich bedanke mich herzlich beim Schreiber & Leser Verlag für das bereitgestellte Rezensionsmaterial!

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